top of page

Blog

Das Ego – Der Schatten, der nach Licht sucht



ree

Was ist das Ego? Viele sprechen davon, wenige verstehen es wirklich. Ego bedeutet zunächst einfach Ich. Doch im Alltag ist es weit mehr: eine Geschichte über uns selbst, ein Bild, das wir verteidigen, ein Reflex auf Verletzung oder Unsicherheit. Das Ego sagt nicht nur Ich bin – es sagt: Ich bin dieser Körper, diese Meinung, dieser Schmerz.


Das Ego entsteht nicht bei der Geburt. Kein Kind kommt mit einem festen Selbstbild zur Welt. Es entwickelt sich durch Spiegelung: durch Sprache, Bewertung, Zuwendung und Ablehnung. So entsteht die Illusion eines stabilen Ichs – als eine Art psychologisches Überlebensprogramm. Doch dieses Programm läuft irgendwann weiter, auch wenn die ursprüngliche Gefahr längst vorbei ist.


Das Ego zeigt sich in vielen Formen. Drei davon sind besonders häufig:


Erstens das Kontroll-Ego. Es glaubt, durch Planung und Ordnung Sicherheit zu gewinnen. Es analysiert, perfektioniert, organisiert. Aber die Wirklichkeit entzieht sich der Kontrolle – und genau das macht dieses Ego rastlos.


Zweitens das Opfer-Ego. Es identifiziert sich mit erlittenem Schmerz. Es hält an alten Verletzungen fest, weil sie Bedeutung verleihen. Doch wer sich dauerhaft mit seinem Leid identifiziert, verschließt sich der Möglichkeit, zu heilen.


Drittens das Überlegenheits-Ego. Es sagt: Ich bin weiter als andere. Ich bin wacher, bewusster, spiritueller. Diese Maske ist besonders trügerisch – weil sie oft mit Demut oder Weisheit verwechselt wird. Doch sie ist nur eine feinere Form des Abgrenzens.


Zen interessiert sich nicht für das Ego als Konzept. Es fragt nicht: Wer bin ich? Sondern: Was ist das – direkt, ohne Worte, ohne Geschichte? Diese Frage lässt das Ego erzittern, denn sie verweigert ihm das Spiel mit Gedanken und Erklärungen. Was bleibt, wenn man nichts mehr sagen kann?


Wenn das Ego sich auflöst, bleibt oft Angst. Angst vor Bedeutungslosigkeit. Angst vor Leere. Aber diese Leere ist nicht das Ende – sondern der Anfang. Sie ist kein schwarzes Loch, sondern ein weiter Raum. In ihr gibt es keine Trennung mehr. Kein Ich, das gegen etwas kämpft.


Das Ziel von Zen ist nicht, das Ego zu vernichten. Es geht darum, es zu durchschauen. Ihm seinen Platz zu geben, ohne ihm die Führung zu überlassen. Das Ego darf da sein – aber es bestimmt nicht, wer du bist.


Was liegt jenseits des Ego? Keine neue Identität. Keine bessere Version von dir. Sondern ein Zustand radikaler Gegenwärtigkeit. Leben geschieht – und das Ich wird wieder zu dem, was es immer war: ein flüchtiger Gedanke im Strom der Erfahrung.


Zen lädt dich ein, diesem Gedanken nicht mehr hinterherzulaufen. Stattdessen still zu werden. Zu sehen. Zu sein.



Kommentare

Mit 0 von 5 Sternen bewertet.
Noch keine Ratings

Rating hinzufügen
bottom of page