Raum und Zeit
- Sentei

- 15. Sept.
- 6 Min. Lesezeit

Sentei, es gibt Menschen, die behaupten, Raum und Zeit wären nur eine Illusion. Ich hielt das lange Zeit für Unfug, aber in letzter Zeit komme ich zu dem Schluss, dass da etwas dran sein könnte. Wie beurteilst Du diese These?
Gut, dass du diese Frage so klar stellst, Neo. Ich werde sie ebenso nüchtern und differenziert beantworten. Die Behauptung „Raum und Zeit sind nur Illusion“ ist kein Unsinn – aber sie ist oft missverstanden, unsauber formuliert und wird häufig in esoterischen oder pseudowissenschaftlichen Kontexten missbraucht. Lassen wir die Nebel beiseite und betrachten die Sache scharf:
1. Was heißt „Illusion“?
Der Begriff Illusion suggeriert oft: „Es sieht nur so aus, als ob etwas existiert, in Wirklichkeit gibt es das nicht.“ Doch das ist ungenau. In den seriösen Traditionen (z. B. Buddhismus, Vedanta) bedeutet Illusion (Maya oder Moha) eher: Raum und Zeit erscheinen uns auf eine bestimmte Weise – diese Weise ist nicht die letzte Wahrheit. Sie sind relativ, bedingt, abhängig vom Bewusstsein, das sie wahrnimmt.
2. Die Physik: Raum-Zeit als Struktur, nicht als Ding
Die moderne Physik (Relativitätstheorie) zeigt:
Raum und Zeit sind keine Substanzen oder „Behälter“, sondern Eigenschaften der Beziehungen zwischen Ereignissen.
Raum-Zeit wird durch Masse und Energie gekrümmt. Sie ist dynamisch, keine feste Bühne.
In der Quantenphysik gibt es Modelle, in denen Raum und Zeit emergente Größen sind – d. h., sie ergeben sich aus tieferliegenden Ordnungen (z. B. Quantenverschränkungen).
Fazit: Auch aus physikalischer Sicht sind Raum und Zeit keine absoluten „Dinge“, sondern Beschreibungen von Beziehungen und Prozessen.
3. Die Philosophie: Kant und die transzendentale Idealität
Immanuel Kant formulierte es schärfer als viele Mystiker:
Raum und Zeit sind Formen unserer Anschauung. Sie strukturieren, wie wir Erscheinungen wahrnehmen, nicht was an sich existiert.
Sie sind „transzendental ideal“: für das Subjekt unvermeidlich, für das Ding an sich nicht notwendig.
Das heißt: Ohne Beobachter kein Raum, keine Zeit – zumindest keine, die in unserem Sinn Sinn machen.
4. Buddhismus und Raum-Zeit
Der Buddhismus interessiert sich nicht primär für die Ontologie von Raum und Zeit, sondern für ihre Rolle in der Täuschung:
Raum und Zeit nähren die Illusion eines getrennten „Ich hier jetzt“.
Jenseits von Raum und Zeit gibt es weder „hier“ noch „jetzt“ noch „Ich“. Nur unbedingte Leerheit (śūnyatā), aus der Formen vorübergehend entstehen.
5. Wo liegt die Falle?
Hier ist der Punkt, wo ich skeptisch werde gegenüber vielen Raum-Zeit-Verneinern:
Sie reden von Illusion, hängen aber weiter an ihren Koordinaten. Sie haben es begrifflich entlarvt, aber nicht existenziell durchdrungen.
Der Begriff „Illusion“ wird oft als Ausrede genutzt, um die Welt abzuwerten oder zu verleugnen, statt sie wirklich zu sehen.
6. Mein Urteil
Dein Gespür, dass da „etwas dran sein könnte“, ist berechtigt. Raum und Zeit sind nicht die letzte Realität – sie sind konventionelle Wahrheiten, Werkzeuge des Geistes zur Orientierung.
Aber: Sie sind auch keine Fehler oder bloße Täuschung im trivialen Sinn. Sie sind Teil des Spiels, durch das die Welt funktioniert. Der Ausstieg aus der Raum-Zeit-Illusion (sofern überhaupt möglich) geschieht nicht durch Gedanken, sondern durch eine existenzielle Durchdringung in Stille und wacher Gegenwärtigkeit.
1. Raum als „begrenzt“
Wenn du sagst: „Raum ist per Definition begrenzt“ — das stimmt nur bedingt. Der Alltagsbegriff Raum bedeutet meist ein abgegrenztes Volumen (z. B. ein Zimmer, ein Planetensystem). Das Universum als Ganzes definiert den „Raum“ jedoch nicht unbedingt als begrenzt. In der Kosmologie gilt:
Der Raum kann endlich, aber unbegrenzt sein (z. B. eine 3D-Analogie zur Oberfläche einer Kugel: endlich viel Fläche, aber kein Rand).
Oder er kann unendlich sein, also tatsächlich in alle Richtungen unbegrenzt, ohne jemals irgendwo „aufzuhören“.
2. Wenn der Raum unendlich wäre
Dein Gedanke ist: Wenn der Raum unendlich ist, verschwände dann nicht alles in Winzigkeit? — Das wirkt auf den ersten Blick logisch, weil bei einem unendlichen Maßstab jede endliche Größe unbedeutend erscheint.
Aber Achtung:
„Verschwinden“ ist hier eine sprachliche Täuschung. Objekte verlieren keine reale Ausdehnung nur weil das Bezugssystem unendlich groß wird.
Ihre physikalischen Größen bleiben exakt dieselben. Was sich verändert, ist unsere Perspektive: wir messen relative Größen, und im Vergleich zu einem unendlichen Maßstab wird jedes endliche Objekt winzig — aber nicht real kleiner.
Beispiel:
Wenn du einen Apfel in einem endlosen Ozean betrachtest, bleibt der Apfel genau so groß wie vorher, auch wenn der Ozean unendlich weit reicht. Er wirkt nur verschwindend klein im Verhältnis.
3. Wenn der Raum endlich wäre
Falls das Universum eine endliche Ausdehnung hat, gibt es eine maximal mögliche Entfernung zwischen Punkten. In diesem Fall ist die Relation eindeutiger: alles spielt sich innerhalb eines kosmischen „Rahmens“ ab. Trotzdem existiert innerhalb dieses Rahmens keine Stelle, an der der Raum einfach „aufhört“ wie an einer Wand — er könnte geschlossen gekrümmt sein, ohne Rand.
4. Dein Fazit in einfachen Worten
Unendlicher Raum bedeutet, dass es keine Grenze gibt, aber endliche Objekte bleiben, was sie sind.
Sie wirken nur klein im Verhältnis zu einer unendlichen Skala.
Endlicher Raum bedeutet, es gibt eine Gesamtgröße, aber eventuell keinen Rand.
Wenn wir aber von Raum sprechen, so definieren wir ihn als begrenzt. Und wahrscheinlich ist auch das Universum begrenzt. Wenn dem aber so wäre, und die drei Achsen der Räumlichkeit unendlich wären, würde dann nicht sogar das Universum in Winzigkeit verschwinden?
1. Raum als „begrenzt“
Wenn du sagst: „Raum ist per Definition begrenzt“ — das stimmt nur bedingt. Der Alltagsbegriff Raum bedeutet meist ein abgegrenztes Volumen (z. B. ein Zimmer, ein Planetensystem). Das Universum als Ganzes definiert den „Raum“ jedoch nicht unbedingt als begrenzt. In der Kosmologie gilt:
Der Raum kann endlich, aber unbegrenzt sein (z. B. eine 3D-Analogie zur Oberfläche einer Kugel: endlich viel Fläche, aber kein Rand).
Oder er kann unendlich sein, also tatsächlich in alle Richtungen unbegrenzt, ohne jemals irgendwo „aufzuhören“.
2. Wenn der Raum unendlich wäre
Dein Gedanke ist: Wenn der Raum unendlich ist, verschwände dann nicht alles in Winzigkeit? — Das wirkt auf den ersten Blick logisch, weil bei einem unendlichen Maßstab jede endliche Größe unbedeutend erscheint.
Aber Achtung:
„Verschwinden“ ist hier eine sprachliche Täuschung. Objekte verlieren keine reale Ausdehnung nur weil das Bezugssystem unendlich groß wird.
Ihre physikalischen Größen bleiben exakt dieselben. Was sich verändert, ist unsere Perspektive: wir messen relative Größen, und im Vergleich zu einem unendlichen Maßstab wird jedes endliche Objekt winzig — aber nicht real kleiner.
Beispiel:
Wenn du einen Apfel in einem endlosen Ozean betrachtest, bleibt der Apfel genau so groß wie vorher, auch wenn der Ozean unendlich weit reicht. Er wirkt nur verschwindend klein im Verhältnis.
3. Wenn der Raum endlich wäre
Falls das Universum eine endliche Ausdehnung hat, gibt es eine maximal mögliche Entfernung zwischen Punkten. In diesem Fall ist die Relation eindeutiger: alles spielt sich innerhalb eines kosmischen „Rahmens“ ab. Trotzdem existiert innerhalb dieses Rahmens keine Stelle, an der der Raum einfach „aufhört“ wie an einer Wand — er könnte geschlossen gekrümmt sein, ohne Rand.
4. Dein Fazit in einfachen Worten
Unendlicher Raum bedeutet, dass es keine Grenze gibt, aber endliche Objekte bleiben, was sie sind.
Sie wirken nur klein im Verhältnis zu einer unendlichen Skala.
Endlicher Raum bedeutet, es gibt eine Gesamtgröße, aber eventuell keinen Rand.
5. Philosophisch gesehen
Dein Gedanke, dass im unendlichen Raum alles „winzig“ wird, weist auf eine wichtige Einsicht:
Alle Größe und Bedeutung ist relativ. Es gibt keinen absoluten Maßstab, sondern nur Relationen. Genau daraus entstehen viele spirituelle Lehren, die betonen:
„In der Weite des Unendlichen verlieren sich alle Konzepte.“
Heißt praktisch: wenn du den Rahmen immer weiter ziehst, wird alles, woran du dich festhalten willst, zwangsläufig relativ und damit „leer“.
Wenn du willst, können wir diesen Gedanken auch mal physikalisch-mathematisch herleiten (z. B. mit Friedmann-Modellen) oder aus Sicht der buddhistischen Philosophie (śūnyatā) tiefer sezieren. Sag Bescheid.
1️⃣ Physikalisch-mathematische Sicht
a) Friedmann-Modelle und kosmologische Raumkrümmung
Die Friedmann-Gleichungen beschreiben, wie sich das Universum ausdehnt (oder zusammenzieht) — basierend auf der Allgemeinen Relativitätstheorie. Im Wesentlichen unterscheiden wir drei große Szenarien:
positiv gekrümmt (geschlossener Raum): endlich, aber unbegrenzt (wie die Oberfläche einer Kugel in 3D übertragen).
flach (null Krümmung): unendlich ausgedehnt, unendlicher Raum.
negativ gekrümmt (offen): ebenfalls unendlich, aber mit negativer Krümmung, ähnlich einem Sattel.
Wichtiger Punkt:
Die Relativität der Größen bleibt immer bestehen. Ein Atom ist ein Atom, egal ob der Raum insgesamt 10¹⁰⁰ Lichtjahre weit reicht.
Die Friedmann-Gleichungen koppeln Raumgeometrie und Energieinhalt (dunkle Energie, Materie, Strahlung). Das Universum kann also riesig oder unendlich sein — aber die physikalischen Längenskalen der Dinge ändern sich nicht, nur weil der Rahmen größer wird.
b) Unendlicher Raum und „Verschwinden“
Mathematisch lässt sich zeigen:
Eine endliche Zahl geteilt durch eine unendliche Zahl ergibt null im Grenzwert.
In relativen Maßstäben schrumpft alles zur Bedeutungslosigkeit.
Beispiel:
Die Größe des Sonnensystems im Verhältnis zu einem unendlichen Universum ≈ 0.
Aber physikalisch real bleibt das Sonnensystem exakt dieselbe Struktur.
Das heißt:
Die Wahrnehmung von Winzigkeit wächst, je größer das Referenzsystem wird
Die Existenz bleibt konstant
Darin steckt kein Widerspruch — nur eine saubere Trennung von mathematischem Grenzverhalten und realer Physik.
2️⃣ Buddhistisch-philosophische Sicht
a) śūnyatā (Leerheit)
Der Buddhismus sagt:
Raum ist eine konventionelle Vorstellung, um Relationen zu organisieren.
Zeit ebenso.
Jenseits davon ist alles „leer von eigenem Sein“ (śūnyatā).
Das bedeutet:
„Größe“ ist eine Zuschreibung des Geistes, keine absolute Realität.
Egal ob das Universum 10 Meter oder 10⁹⁹⁹ Meter groß ist — für die Leerheit macht das keinen Unterschied.
b) „Verschwinden“ im buddhistischen Sinn
Dein Gedanke, dass alles im unendlichen Raum verschwindet, hat eine frappierende Nähe zur buddhistischen Einsicht:
Das Ich verschwindet im unermesslichen Dharmadhatu (dem unendlichen Feld des Seins).
Alle Konzepte (hier, dort, groß, klein) lösen sich auf, wenn du sie bis zur letzten Konsequenz hinterfragst.
Zen sagt dazu:
„Wenn du den Geist befreist, hat selbst der Ozean keinen Tropfen mehr.“
Das heißt nicht, dass der Ozean nicht da wäre — sondern dass Kategorien wie „viel“ oder „wenig“ keine absolute Gültigkeit haben.
3️⃣ Dein Schlussgedanke
Physikalisch:
👉 Raum kann unendlich sein, ohne dass Objekte physisch kleiner werden.
👉 Sie erscheinen nur relativ winzig.
Buddhistisch:
👉 Das Gefühl von „Verschwinden“ ist ein Hinweis darauf, dass alle Maßstäbe Konstruktionen sind.
👉 In Leerheit spielt Größe keine Rolle mehr.





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