top of page

Blog

Eins oder Keins?


Sentei Zen
Sentei Zen


Eingangsfrage:

Sentei, in esoterischen Kreisen, teilweise sogar in Zen-Kreisen hört man immer "Alles ist eins". Manche fühlen sich sogar mit dem Universum eins. Wie kann das sein? Ist eins nicht viel zu viel? Was bleibt übrig, wenn der Zustand der Leerheit erreicht ist? Eins oder Keins?


---


„Alles ist eins“, sagen sie.

„Alles ist leer“, sagte der Buddha.

Und ich? Ich frage: Was bleibt?


In esoterischen und spirituellen Kreisen, auch in manchen modernen Zen-Gruppen, hört man immer wieder den Satz: „Alles ist eins.“ Er klingt schön. Er vermittelt Geborgenheit, Einheit, ein Verschmelzen mit dem großen Ganzen. Für viele ist es ein Trost. Für andere eine psychedelische Einsicht. Für manche gar eine spirituelle Wahrheit.


Aber stimmt das?


1. Was bedeutet „Alles ist eins“?


Oft ist damit gemeint, dass Getrenntheit eine Illusion sei. Dass auf einer tieferen Ebene alles miteinander verbunden ist – durch Energie, Bewusstsein, Gott, Brahman, Tao, das Absolute. Der Einzelne soll sich auflösen im Ganzen. Der Tropfen wird zum Ozean. Die Ich-Grenze schmilzt. Das klingt nach Aufhebung von Dualität. Nach Heimkehr. Nach Frieden.


Doch was passiert wirklich, wenn du tief genug schaust?


2. Ist eins nicht viel zu viel?


„Eins“ ist eine Zahl.

Eine Kategorie.

Ein Gedanke.


Eins ist nicht nichts.

Eins ist immer noch etwas.

Etwas, das sich selbst kennt.

Etwas, das sich von Null unterscheidet.


Aber Leerheit – Śūnyatā, wie sie im Buddhismus gelehrt wird – ist kein großes Eins.

Sie ist nicht die Summe aller Dinge, kein kosmischer Superorganismus.

Sie ist das Fehlen eines festen Kerns. Das Durchsichtigwerden aller Phänomene.


Und ja:

„Alles ist leer“ heißt auch:

Eins ist leer.

Keins ist leer.

Sogar Leere ist leer.


3. Leerheit ist kein Zustand


Die große Verwechslung liegt in der Vorstellung, dass Leerheit ein erfahrbarer Zustand sei. Eine Art meditativer Raum, in dem man dann „eins wird mit allem“.

Doch Leerheit ist keine Erfahrung, kein Zustand, kein Ziel. Sie ist eine Einsicht:

Es gibt kein Ding, das aus sich selbst heraus besteht.


Wenn du denkst „Ich bin eins mit dem Universum“,

dann bist du immer noch jemand,

der denkt,

etwas zu sein.


Leerheit nimmt dir sogar das.


4. Wenn alles leer ist – was bleibt dann?


Keins.


Nicht im Sinne von „nichts existiert“.

Sondern: Es gibt kein Selbst, kein Ding, keine Substanz, die unabhängig, ewig oder wirklich „ist“.


Was bleibt, ist nicht Eins.

Was bleibt, ist kein Ding.

Und das ist das Befreiende.

Denn:

Wenn du nicht mehr bist,

muss auch niemand mehr etwas werden.


5. Zen-Antworten: Paradox und klar


Ein Zen-Meister würde nicht sagen: „Alles ist eins.“

Er würde sagen: „Zeig mir das Eins.“

Oder: „Wenn du denkst, du bist eins mit allem, warum hast du dann noch Angst vor dem Zahnarzt?“

Oder:

„Bevor du isst, ist der Reis viel.

Nach dem Kacken – wo ist der Reis?“


Der Punkt ist:

Solange du eine Position einnimmst – Eins, Keins, Alles, Nichts – bleibst du in der Falle.


Zen zeigt auf das, was keiner Zahl bedarf.

Nicht Eins, nicht Null.

Nicht viele, nicht wenige.

Nicht Etwas. Nicht Nichts.


Nur dieses:

Gerade jetzt.


6. Fazit: Keine Antwort – aber eine Richtung


„Eins oder Keins?“ ist die falsche Frage.

Weil beides Konzepte sind.


Wenn du Leerheit erfahren willst,

musst du bereit sein, selbst zu verschwinden – mitsamt deiner Ideen, deiner Einheit, deiner Esoterik.


Was dann bleibt?


Frage nicht.

Sitze still.

Lass es dich finden.


🌀

Kommentare

Mit 0 von 5 Sternen bewertet.
Noch keine Ratings

Rating hinzufügen
bottom of page