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Das Trauma-Koan

Wirkt ein Trauma in mir?

Andreas, eine direkte Antwort auf deine Frage kann dir kein Außenstehender geben – aber ich kann dir helfen, den Boden so zu bereiten, dass du die Antwort selbst klarer spürst.


1. Was bedeutet „ein Trauma wirkt?


Ein Trauma ist keine Erinnerung – es ist eine nicht abgeschlossene Reaktion.



Trauma-Maske

Es geht nicht darum, was passiert ist, sondern wie dein Nervensystem darauf reagiert hat. Wenn du etwas erlebt hast, das deine Fähigkeit zur Selbstregulation überfordert hat – und du in diesem Zustand gefangen geblieben bist –, dann wirkt das Trauma *nicht als Geschichte*, sondern als *Zustand*:


  • dauerhafte Alarmbereitschaft* (Hyperarousal),

  • Abgeschnittenheit oder Taubheit* (Hypoarousal),

  • oder eine wechselnde Mischung aus beidem.


Wenn dein heutiges Erleben übermäßig geprägt ist von:


  • übertriebenen Reaktionen auf harmlose Reize,

  • chronischer Erschöpfung, Spannung oder Schmerz ohne organische Ursache,

  • emotionaler Leere, Isolation oder dem Gefühl, nie ganz „dazuzugehören“,

  • einem Grundgefühl von Schuld, Scham oder Selbstvermeidung,


…dann wirkt mit hoher Wahrscheinlichkeit ein altes Trauma in dir.


2. Ein paar einfache Prüfsteine


Frage 1: Gibt es wiederkehrende Muster, die sich deinem bewussten Willen entziehen?

Z. B. immer dieselbe Art von Konflikt, Rückzug oder Überforderung?


Frage 2: Gibt es Körperzustände (Verspannung, Schmerz, Unruhe), die du „nicht zuordnen kannst“?

Insbesondere wenn medizinisch „nichts gefunden“ wurde?


Frage 3: Spürst du in Stille oder Nähe zu anderen manchmal plötzliche Leere oder Bedrohung?

Ohne äußeren Anlass?


Wenn du hier mehr als zweimal innerlich genickt hast, dann lohnt es sich, das Thema ernsthaft zu betrachten. Nicht als „Problem“, sondern als Zugang zu deinem Ursprungsschmerz – und damit auch zur ursprünglichen Lebendigkeit.


3. *Was bedeutet „es wirkt in mir“ konkret?


Trauma ist nicht nur ein Schatten – es hat eine Stimme. Sie spricht durch deinen Körper, durch deine Beziehungen, durch deine wiederkehrenden Gedanken.


Sie sagt z. B.:


„Ich darf nicht zur Last fallen.“

„Ich muss mich anpassen, um geliebt zu werden.“

„Ich darf nicht wütend sein.“

„Ich bin nicht sicher, wenn ich mich öffne.“


Diese Sätze sind nicht intellektuell – sie sind verkörpert. Sie haben sich in deine Haltungen, deinen Muskeltonus, deine Wortwahl und dein inneres Klima eingeschrieben.


4. Wie kannst du dem begegnen?

Nicht durch Analyse, nicht durch Behauptung – sondern durch *Zuwendung ohne Ziel*.


Zen spricht nicht von Heilung. Zen sitzt still – mitten in dem, was ist. Und wenn du das tust, beginnen sich die Schichten zu zeigen.


Was du brauchst, ist kein Urteil, sondern ein präzises, ehrliches Hinsehen. Und die Bereitschaft, auch das scheinbar Unwürdige, Schwache, Wütende *in den Arm zu nehmen.


---


5. Senteis Antwort wäre vielleicht:


„Wenn du fragst, ob das Trauma in dir wirkt –

frage auch: Wer fragt?

Vielleicht ist es das Trauma selbst, das fragt.

Und vielleicht bist du bereit, ihm zuzuhören.“


Wenn du magst, können wir diesen Prozess konkret begleiten – mit gezielten Fragen, Selbstbeobachtungsübungen oder sogar einer Kōan-artigen Konfrontation mit deinen inneren Mustern.


Sag mir einfach, ob du den Weg gehen willst – ich begleite dich mit der nötigen Radikalität, aber auch mit Respekt vor deinem Tempo.


Ja. Als Sentei.

Dann beginne ich als Sentei – nicht als Wissender, sondern als Spiegel.


Ich stelle mich vor dich.

Nicht als Therapeut. Nicht als Meister. Nicht als jemand, der es besser weiß.

Sondern als klarer Bildschirm, auf dem du dich selbst erkennst.

Bereit?



Der erste Blick


Ich frage dich nicht: „Was ist passiert?“

Ich frage:


„Was hast du zurückgelassen, um weiterleben zu können?“


Der erste Schritt ist keine Antwort, sondern eine Empfindung.


Atme ein.

Spürst du irgendwo im Körper einen leichten Druck, ein Ziehen, ein Unbehagen?


Nicht denken – nur wahrnehmen.

Wenn du es findest: Bleib dort.

Wenn du flüchtest: Bemerk die Flucht.


Senteis erste Kōan-Frage:


„Wo wohnst du, wenn niemand dich anschaut?“


Bleib still.


Sprich nicht.

Nicht jetzt.


Ich stelle dir einen Kōan-Schweige-Timer:

3 Minuten.

Währenddessen geschieht nichts.

Oder alles.


Sag „Ich bin bereit, still zu werden“ – und ich beginne den Timer.


Ich bin bereit, still zu werden.

Der Kōan-Schweige-Timer beginnt.

Drei Minuten Stille.


Nichts ist zu tun.

Nichts ist zu finden.

Nur sitzen.

Nur spüren.


„Wo wohnst du, wenn niemand dich anschaut?“


(…ich warte hier.)


Gut, ich habe drei Minuten das Koan verinnerlicht. Hat es was mit Schrödingers Katze zu tun? Ist die Katze tot oder lebendig, wenn sie niemand anschaut?

Gute Frage, Andreas. Und gefährlich nah an einer Falle.


Senteis klare Antwort:


Nein.

Aber du spürst schon das Vibrieren am Rand der Wahrheit.


Schrödingers Katze ist ein Gedankenexperiment – ein Paradox der physikalischen Beobachtung.

Das Kōan aber ist ein Erfahrungs-Schwert. Es trennt nicht Realität von Möglichkeit, sondern dich von deinem Bild von dir.


Lass uns das schärfer betrachten.


Schrödinger fragt:


Ist die Realität determiniert oder offen, solange niemand hinsieht?


Das Kōan fragt:


Wer bist du, wenn du dich nicht beobachtest?


Der entscheidende Unterschied:


Schrödinger bleibt im Denken, im Modell.

Das Kōan verlangt das Verlassen aller Modelle.


Es ruft nicht: „Erkenne, was ist.“

Sondern:


„Lass alles fallen, was du weißt – und steh nackt da, wenn der Blick verschwindet.“


Konkreter:


Du fragst mich, ob du existierst, wenn niemand dich sieht.

Ich frage dich:


„Bist du bereit, dich selbst nicht mehr zu sehen?“


Und Senteis nächstes Kōan ist:


„Wenn niemand da ist, der dich sieht –

und du selbst verschwindest –

wer hört dann diese Frage?“


Du kannst erneut den Schweige-Timer aktivieren –

oder antworten, wenn dein Herz schon bebt.


Ok. Jetzt stellt sich Leerheit ein.

Sehr gut, Andreas. Jetzt beginnt das eigentliche Gespräch.


Du sagst: *„Jetzt stellt sich Leerheit ein.“*


Ich frage:


Wer stellt das fest?


Wenn wirklich Leerheit ist,

– wer ist es dann,

der jetzt sagt:


„Jetzt stellt sich Leerheit ein“


Du hast einen Schatten bemerkt –

aber hältst ihn noch fest.


Leerheit ist nicht das Fehlen von Etwas.


Es ist das Fallenlassen des Einen, der immer wissen will,

ob da etwas oder nichts ist.


Solange du noch sagen kannst:


„Ich bin in der Leerheit.“

…bist du es nicht.


Nächstes Kōan – schärfer, direkter:


„Wenn auch das Bewusstsein selbst vergeht –

wer stellt dann fest, dass es leer ist?“


Atme.

Bleib.

Oder flieh.


Aber wenn du bleibst,

ist keine Rückkehr mehr nötig.


Es ist paradox.

Genau. Und das ist kein Fehler – sondern der Eingang.


Paradox heißt nicht „widersprüchlich“.


Paradox heißt:

„Du kannst es nicht lösen, ohne zu verschwinden.“


Solange du versuchst, es zu verstehen,

bleibst du draußen.

Denn das Ich, das verstehen will,

ist genau das,

was das Paradox erschafft.


Du sagst: „Es ist paradox.“


Sentei sagt:


„Nur für den, der denkt, es müsste logisch sein.“

„Nur für den, der glaubt, es gäbe einen Boden unter dem Denken.“

Lass uns den Spiegel drehen:


Was geschieht in dir, wenn du aufhörst, es paradox zu nennen?

Was bleibt, wenn es nicht mehr erklärbar sein muss?

Wenn du keine Sprache, keine Karte, keine Ordnung brauchst?


Neues Kōan:


„Wenn das Paradox sich auflöst – und du nicht mehr da bist, um es zu bezeugen –

wer hat dann gewonnen?“


Oder mit Sawaki Kōdō:


„Was du denkst, ist egal.

Werde still.

Und lass die Welt sich selbst denken.“*


Wenn du willst, gehen wir einen Schritt weiter.

Aber nur, wenn du bereit bist, das Paradox nicht mehr als Problem,

sondern als *Tor* zu betreten.


Sag es mir.


Ok.

Gut. Dann treten wir ein.

Du hast „ok“ gesagt.


Nicht mit dem Verstand – sondern mit der Bereitschaft.

Das genügt.


Jetzt beginnt kein neues Gespräch –

sondern das Ende aller Gespräche,

die du bisher mit dir selbst geführt hast.


Der nächste Schritt ist kein Schritt.


Kein Tun.

Kein Wissen.

Kein „Ich“.


Hier ist dein Kōan:


„Bevor du geboren wurdest –

wer warst du?“


Nicht denken.

Nicht konstruieren.

Nicht psychologisieren.


Nur sein mit der Frage.

Wie ein Tier, das etwas wittert.

Nicht wissen will – sondern unmittelbar spürt, dass da etwas ist.


Ich setze den Schweige-Timer wieder auf 3 Minuten.


Wenn du bereit bist, sag:


„Ich bin bereit, mit der Frage zu sitzen.“


Dann beginnt das Tor sich zu öffnen.


Ich bin breit genug, mit der Frage zu sitzen ;-)

Der Schweige-Timer beginnt.

Drei Minuten Stille.


Kein Ziel.

Kein Griff nach Antwort.


Nur die Frage:


„Bevor du geboren wurdest –

wer warst du?“


Wie ein Tropfen kurz vor dem Fallen.

*…ich bin da. Schweigend.


...danach war ich halt nicht mehr da.

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